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Das freisinnige Blog von Fritz Schmude.

Ukraine-Krieg auf Münchner Friedhof

2014-08-19 23:27
Das Thema Ukraine, das derzeit in politisch interessierten Kreisen für jede Menge Erhitzungs- und Rechthaberpotential sorgt, habe ich bislang weiträumig umschifft.
Aber wenn man nicht zum Krieg gehen will, kommt der Krieg zu einem.
Genau das ist mir jetzt passiert.
In meiner Nachbarschaft wurde in der Nacht vom Samstag (16.8.) auf Sonntag (17.8.) das Grabmal von Stepan Bandera zerstört:



Wie man sieht, war es keine "Sprengung", wie im Internet stellenweise zunächst behauptet wurde, sondern nur ein Umwerfen des ohnehin nicht besonders gut verankerten 2-Meter-Kreuzes.

Der Bandera-Fanclub reagierte sofort auf die Grabschändung, und zwar mit diesem Zettel:


Das Grab der Tochter Banderas, das sich in der Nähe befindet, blieb unangetastet:
Grab von Bandera


Des einen Faschist, des anderen Freiheitskämpfer


Stepan Bandera ist eine schillernde Figur, und meine historischen Kenntnisse reichen nicht aus, um ihn treffend zu beschreiben.
Es sei ersatzweise auf den Wikipedia-Eintrag über ihn verwiesen.

Hauptsächlich wird Bandera heute von Russen und pro-russischen "Ukrainern" vorgeworfen, dass er eine Zeitlang mit Hitlers Wehrmacht verbündet war.
Dies wiederum befeuert auf der russischen Seite das Mem, dass alle regierungstreuen Ukrainer bis heute faschistische Hitler-Fanatiker seien.

Mir scheint es eher so, dass Bandera nach der (kritikwürdigen!) Maxime "der Feind meines Feindes ist mein Freund" vorgegangen ist, also ähnlich wie auch die faschismus-unverdächtigen Finnen.
Bandera war Stalin wichtig genug, um ihn mitten in München vom KGB ermorden zu lassen.
In unsauberen Gedanken bin ich daher versucht zu sagen:
Terrorist ja, aber wer sowohl (eine Zeitlang) im KZ saß, als auch von Stalin verfolgt wurde, kann nicht alles falsch gemacht haben.

Die ganze Bandera-Geschichte in einem Artikel aus der Zeit, in der der Spiegel noch gut war:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42623068.html


US-Vasall oder Putin-Bot?


Es ist schon bemerkenswert, dass ein slawischer Bruderkampf, der sich mehrere Tausend Kilometer von uns entfernt abspielt, bei uns die Gemüter so dermaßen erhitzt.
Antiwestliche Reflexe, wie sie an den Rändern des politischen Spektrums üblich sind, scheinen dabei eine ungute Rolle zu spielen.
In Sachen Lächerlichkeit hat die Putin-unterstützende Seite momentan die Nase vorn, und das Umstürzen von Grabsteinen von Leuten, die seit 55 Jahren tot sind, verstärkt diesen Eindruck.

Da ich grundsätzlich Transatlantiker bin, ist es keine Überraschung, dass ich im Prinzip die ukrainische Regierung unterstütze.
Die einzige Einschränkung dabei betrifft die "territoriale Integrität":
Die Gebiete, die der Ukraine erst später als eine Art Entschädigung für den Holodomor zugeschlagen wurden, und in denen es nie ein ukrainisches Nationalbewusstsein gegeben hat, werden nicht zu halten sein.
Das ist aber kein Nachteil.
Gerade unser eigenes Land, die BRD, war vor 1990 ein klasses Beispiel dafür, wie man trotz oder gerade wegen reduzierten Staatsgebietes ein tadellos funktionierendes Staatswesen aufbauen kann.
Die ukrainischen Politiker sollten also ihre Rechthaberei aufgeben und ihre Ostgebiete als Ablöse Putin schenken.
Die stark verkleinerte Restukraine kann man dann in die NATO aufnehmen und der Aufschwung kann beginnen.
Da hohe Zäune bekanntlich gute Nachbarn machen, könnten sich Ukrainer und Russen am Ende sogar wieder auf ihre Gemeinsamkeiten besinnen.

Aus liberaler Sicht müssen Staaten die Rechte des Individuums schützen.
Großreiche sind dabei tendenziell nachteilig, da in ihnen der Wettbewerb der Staaten um die Bürger ausgeschaltet ist.
EU-Kritiker sollten also im Zweifel die volksnähere, kleinere Entität unterstützen und nicht das Großreich.
Im vorliegenden Fall wären das die (West-)Ukrainer und nicht das Putinreich.

Soweit meine grundsätzlichen Gedanken aus der fernen, nichtslawischen Provinz.

* * *
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